D/XXVIII/2

Abteilung Deutschland, Keramik 1860 – 1960, Inventarnummer D/XXVIII/2

Siderolith- und Thonwaarenfabrik Jakob Uffrecht & Co. und Nachf. Fa. Carstens-Uffrecht KG, Deutschland, Neuhaldensleben, vor 1900, großer Wandteller Kopf eines Mannes, Künstler Rudolf Uffrecht (attr.), Werks.-Nr. 838, Exemplar-Nr. ohne, Firmenmarke mit U & C sowie 838 gepresst, nicht signiert, Literatur: Ludwig Danckert, Handbuch des Europäischen Porzellans, 7. Auflage, Seite 469, dort kurze unvollständige Beschreibung der Fabrik, weitere Literatur: Dieter Zühlsdorff, Markenlexikon, Porzellan und Keramik Report 1885 – 1935, Band 1, Seite 69, Werk-Teil 1., Gruppennummer des Werkteils 1., laufende Nummer innerhalb der Gruppe 1317 identische Marke (dort für die Zeit ab 1887, dort beschrieben: Preßmarke für Siderolith) sowie Seite 573, Werk-Teil 3., laufende Nummer innerhalb des Werkteils 905, dort unvollständige Beschreibung der Fabrik, Jakob Uffrecht, geb. 24.12.1817 in Ulm, gest. 19.01.1892 in Neuhaldensleben, stammte aus ärmsten Verhältnissen, er wurde als unehelicher Sohn der Waschfrau Antonie Mantz geboren, sein Vater ist Johann Daniel Uffrecht (geb. 28. März 1788 in Ulm), über den jedoch kaum etwas bekannt ist, Uffrecht begann sein Arbeitsleben als Siebenjähriger in der Tabakfabrik der Gebrüder Wechsler und konnte nur stundenweise die Armenschule besuchen, ab 1829 absolvierte er eine Lehre als Dreher in einer Ulmer Porzellanfabrik und nahm darüber hinaus Zeichenunterricht, durch Fleiß und künstlerisches Talent wurde er Modelleur, 1833 begab er sich auf Wanderschaft, zum Ende des Jahres fand er Anstellung in der Porzellanfabrik von Johann Gottlob Nathusius in Althaldensleben, am 20. Mai 1840 heiratet Jakob Uffrecht Elisabeth Perlitz, die Tochter von Christoph Perlitz, einem Leinewebemeister und Dorfmusikanten aus Hundisburg, Elisabeth ist am selben Tag und im selben Jahr geboren wie Jakob, am 24. Dezember 1817, sie stirbt am 23. März 1896 in Neuhaldensleben an Lungenentzündung, Jakob und Elisabeth haben zusammen insgesamt 12 Kinder, von denen 3 bereits als Säuglinge sterben, ein weiterer Sohn stirbt 1865 mit nur 13 Jahren, im Oktober 1843 siedelte Uffrecht nach Buckau bei Magdeburg über und trat in die dortige Porzellanfabrik ein, bereits im Mai 1845 gründete er mit zwei Kollegen aus der Buckauer Fabrik und zwei weiteren Gesellschaftern in Althaldensleben eine winzige Thonwaarenfabrik an der Hinzenbergstraße, Firmierung Siderolith und Thonwaarenfabrik Jakob Uffrecht & Co., am 1. Mai 1855 lässt sich Jakob auszahlen und kauft im benachbarten Neuhaldensleben ganz nahe an der Stadt einen Garten, in dem er ein Wohn- und Fabrikgebäude baut, den Firmennamen J. Uffrecht & Co. nimmt er mit, dieser bleibt bis etwa 1923 bestehen, als die Firma mit der Carstens KG zusammen geht, die Fabrik stellte vorwiegend figürliche Zierkeramik aus Siderolith her, die sich bald einen international hervorragenden Ruf verschaffte, schon seit Ende der 1830’ziger Jahre hatte Uffrecht besonderen Wert auf die Entwicklung eigener Modelle gelegt und war späterhin wesentlich am Zustandekommen von Musterschutzgesetzen für diese Branche beteiligt, er zog begabte Künstler nach Neuhaldensleben, von denen sich später einige in der Stadt selbständig machten, zum Beispiel Anton Möller, seit Anfang der 1860‘ ziger Jahre war auch sein Sohn Rudolf Uffrecht als Modelleur im väterlichen Geschäft tätig, dessen Arbeiten auf Kunstgewerbeausstellungen mehrfach Preise erhielten, um 1880 ging die Fabrik dazu über, Steingut-Gebrauchsgeschirr von besonderer Härte, dem sogenannten “Steinzeug”, nach dem Vorbild Friedrich Schmelzers zu fertigen, 1884 wurde das Unternehmen um eine neuerrichtete Steingutfabrik erweitert und beschäftigte 1895 durchschnittlich 140 Arbeiter, neben seiner beruflichen Tätigkeit wirkte Uffrecht langjährig als Stadtverordneter und Stadtverordnetenvorsteher und gründete neben einer vom Magistrat angeordneten betrieblichen Kranken- und Unterstützungskasse (1858) auch eine Betriebssparkasse für die Arbeiter seiner Fabrik, zudem förderte er den Bau von preiswerten Betriebswohnungen, 1872 stellte er Kapitalien zur Gründung eines örtlichen Konsumvereins zur Verfügung und gehörte zu den Förderern des Eisenbahnbaus in Neuhaldensleben, 1886 zog sich Jacob Uffrecht aus dem Geschäftsbetrieb zurück und seine Söhne Heinrich Uffrecht (1842 – 1919), Hermann Uffrecht (1843 – 1892) und Jacob Uffrecht (1847 – 1911) übernahmen die Fabrik, hergestellt wurde ein umfangreiches Sortiment an Haushaltsgeschirr für den täglichen Gebrauch und Gebrauchsartikel für den Sanitärbereich, erst nach der Jahrhundertwende versuchte man nicht ohne Erfolg wieder mehr Erzeugnisse mit einer besonderen künstlerischen Note anzubieten, dabei profitierte man auch von den Arbeiten eines Sohnes von Heinrich Uffrecht, nämlich Theodor Heinrich (1878 – 1954), der in jungen Jahren in allen Fertigungsabschnitten den Fabrikationsablauf lernte, ehe er Kunst studierte und später als freischaffender Künstler in Haldensleben wirkte, sein älterer Bruder Martin Uffrecht (1874 – 1934) trat 1906 als Prokurist in die Firma ein und wurde 1910 alleiniger Inhaber, in diese Zeit fällt ein Großbrand, der wesentliche Teile der Fabrik zerstört, mit dem sofortigen Wiederaufbau wird begonnen, mit Beginn des 1. Weltkrieges verschärfte sich die personelle und wirtschaftliche Situation, auch die Verfügbarkeit qualitativer Rohstoffe sowie die Bedarfslage wirkten sich negativ aus, daher wurde seit 1925 fast ausschließlich Kunstkeramik nach alter Tradition gefertigt, bereits 1924 hatte die wirtschaftliche Situation, unterstützt durch inflationäre Entwicklungen zu einer Verpachtung an die Firma Carstens und zur Änderung der Firmierung in Steingutfabrik Carstens-Uffrecht geführt, nach dem Tod von Martin Uffrecht im Jahre 1934 ging die Fabrik Fa. Carstens – Uffrecht KG ein und firmierte auch so, 1948 wurden alle 3 sich in Haldensleben befindlichen Werke der Carstens – Uffrecht KG in Volkseigentum überführt, damit verschwand der Name Uffrecht aus der Firmenbezeichnung, ein erfolgreiches Familienunternehmen war zu Ende gegangen, bis 1976 wurde im ehemaligen Betrieb in der Hagenstraße noch Zier- und Haushaltskeramik hergestellt, MEK Anmerkung zu Jakob Uffrechts ältestem Sohn: Uffrecht, Rudolf August Heinrich Matthias, geb. 09.07.1840 Althaldensleben, gest. 13.11.1906 Berlin, Bildhauer, Maler, Kunsthandwerker, der älteste Sohn des Keramikfabrikanten Jakob Uffrecht, entwickelte frühzeitig künstlerische Ambitionen und studierte ab 1855 an der Berliner Akademie der Künste bei dem mit seinem Vater befreundeten Bildhauer Bernhard Afinger, einem Schüler Christian Daniel Rauchs, Rudolf konnte auf Vermittlung Afingers, in dessen Berliner Haus er wohnte, noch 1857 Unterricht im Aktsaal bei Rauch nehmen, 1860, 1861 und 1862 errang er mit hervorragenden Leistungen jeweils den ersten Preis in der Modellier- und Kompositionsklasse und wurde auf ein Zeugnis des akademischen Senats hin vom Militärdienst befreit, schon früh begann er für die väterliche Terrakottenfabrik figürliche Darstellungen zu modellieren, für die er auf Kunstgewerbeausstellungen für industrielle Keramik mehrere Preise erhielt, 1865 ließ er sich nach einer ausgedehnten Deutschland-Reise wieder in Althaldensleben nieder, um im Unternehmen seines Vaters tätig zu werden, zahlreiche Entwürfe für industrielle Keramik entstanden in dieser Zeit, 1869 war er zwischenzeitlich als Mitarbeiter Gustav Blaesers wieder in Berlin tätig, ab 1873 schlossen sich erneut größere Reisen zur Weltausstellung nach Wien, durch Deutschland, Griechenland, Italien und die Schweiz an, 1878 besuchte er Paris und nahm 1881 nach einer Rundreise durch die Lombardei, Umbrien, Kalabrien und Sizilien seinen Wohnsitz dauerhaft in Rom, dort betrieb er ein eigenes Atelier in der Nähe des Monte Pincio und gehörte seit 1885 dem Deutschen Künstlerverein, einem Zusammenschluss deutscher Künstler in Rom, an, 1891 siedelte er dauerhaft nach Florenz über, 1895 kehrte er nach Deutschland zurück und nahm seinen Wohnsitz zunächst in München, ab 1897 lebte und arbeitete er wieder in Berlin, seine Werke, insbesondere seine Terrakottenskulpturen von Künstlern, Dichtern, Musikern und Politikern (u. a. Otto von Bismarck, Helmuth Graf von Moltke) sowie allegorischen Figuren und Genregruppen, überzeugten die zeitgenössische Kritik durch Natürlichkeit der Formgebung, vollendete Ausführung und gefällige Harmonie, Rudolf Uffrecht war später auch als Kopist alter Meisterwerke tätig und versuchte sich als Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und Literaturhistoriker, Durchmesser 34,5 cm