A/LXXIV/1

Abteilung Austria/Ungarn/Böhmen, Keramik 1860 – 1960, Inventarnummer A/LXXIV/1

Porzellanfabrik Wehinger & Co. AG, vormals Porzellanfabrik Wehinger & Co., vormals Porzellan- und Tonwarenfabrik Grünes & Co., vormals Porzellan- und Tonwarenfabrik W. & F. Grünes, vormals Porzellan- und Tonwarenfabrik Klier, vormals Töpferei Johann Kempf, Austria/Böhmen, Horn (Hory) bei Elbogen, um 1910, Deckeldose, Künstler unbekannt, Werks.-Nr. ohne, Exemplar Nr. ohne, gemarkt Firmenmarke mit Deckeltopf (sogenannter Ingwertopf), in dem Topf ein W (für Wehinger), darunter AUSTRIA grüner Stempel unter Glasur, nicht signiert, Literatur: Dieter Zühlsdorff, Markenlexikon, Band 1, Porzellan und Keramik Report 1885 – 1935, Seite 376, Werk- Teil 1., Gruppenummer des Werkteils 20., laufende Nummer innerhalb der Gruppe 78 identische Marke (dort für die Zeit nach 1910, dort Farbstempel in grün) sowie Seite 524, Werkteil- Nummer 3., laufende Nummer des Werkteils 548, dort kurze unvollständige Beschreibung der Fabrik, weitere Literatur: Ludwig Danckert, Handbuch des Europäischen Porzellans, 7. Auflage, Seite 248, dort kurze unvollständige Beschreibung der Fabrik sowie Abbildung der identischen Marke, Johann Kempf und seine Frau Margarethe übersiedelten nach dem Ausscheiden aus der Firma Winter & Co. in Elbogen, die sie 1887 mitgegründet hatten und deren Miteigentümer sie waren, in die Stadt Horn, mit dem Geld aus dem Verkauf ihres Hauses und ihrem Firmenanteil gründeten sie in Horn bei Elbogen eine neue Töpferei, die hauptsächlich undekorierte Haushaltswaren herstellte, die Fabrik war nicht sehr groß und bekannt aber Kempf und seine Familie konnten einige Jahre davon leben, Firmierung Töpferei Johann Kempf, 1897 verkauften die Kempfs die Töpferei an Louise Klier, Firmierung ab da Porzellan- und Tonwarenfabrik Klier, Louise Klier wollte für ihren Mann Alois und sich selbst ein kleines Geschäft aufbauen wollte, daher wurde die viel zu kleine Töpferei in eine Porzellan- und Steingutfabrik umgewandelt, kurz nach Abschluss des Umbaus und des Produktionsbeginns, änderte sich die Situation, als ihr Mann eine Stelle als Hauptdekorateur bei der Porzellanfabrik K. Speck erhielt, die Kliers verkauften die Fabrik an die Brüder Wenzl und Franz Grünes, Firmierung ab da Porzellan- und Tonwarenfabrik W .& F. Grünes, Wenzl war damals Porzellanwerksleiter in Altrohlau, während Franz ein sehr erfolgreicher Kohle- und Getreidehändler in Schlackenwerth war, ein Job, der ihn voll ausmachte und so fungierte er nur als Geldgeber und überließ seinem Bruder die Leitung der Fabrik, das Geschäft florierte und Wenzl konnte Franz bereits im Jahr 1902 auszahlen, die Firmierung änderte sich in Porzellan- und Tonwarenfabrik Grünes & Co., bereits in dieser Zeit verfügte die Fabrik über ein beeindruckendes Produktsortiment mit Kaffee- und Teeservice, Kindertassen, Kompotte, Etageren, Kerzenständer, Vasen und vielem mehr, angesichts des anhaltenden Erfolgs war es nur verständlich, dass Wenzl Grünes expandieren wollte und nahm deshalb zwei Gesellschafter, den Kaufmann Rudolf Wagner sowie den Direktor der Porzellanmanufaktur in Aich, Heinrich Wehinger, auf, es dauerte nur bis 1905, bis Heinrich Wehinger die gesamte Fabrik übernahm und viel in Modernisierung und Erweiterung investierte, wodurch die Fabrik wachsen konnte, die Firmierung änderte sich in Porzellanfabrik Wehinger & Co., zwei Jahre später beschäftigte die Fabrik bereits 150 Arbeiter und die Produktpalette umfasste einige Linien von Hartporzellangeschirr, filigrane Kaffee- und Teeservices, Miniaturen und Vasen, während die Weichporzellanprodukte Kaffeekannen und Tassen umfassten, gleichzeitig besaß Wehinger in der Kleinstadt Janessen (tschechisch ‚Jenišov‘) eine Schamottesteinfabrik, die er im Jahr 1912 an Rudolf Wagner verkaufte, bis zum Jahr 1913 stieg die Mitarbeiterzahl der Fabrik auf 230, Hauptabsatzmärkte waren damals die USA, Großbritannien, Kanada und die Niederlande, was sich während des Ersten Weltkriegs nicht wesentlich änderte (auch wenn sich der Transport manchmal als schwierig erwies), für nach dem Krieg wurde weiteres Wachstum prognostiziert und 1918 kaufte Wehinger die Fabrik in Janessen zurück und wandelte sie in eine sekundäre Porzellanfabrik um, die 1920 in Betrieb ging, beide Fabriken beschäftigten damals zusammen 350 Arbeiter, da die Geschäfte zu dieser Zeit sehr gut liefen, ordnete Wehinger seine Werke um und übertrug sie in eine Aktiengesellschaft, die Firmierung änderte sich in Porzellanfabrik Wehinger & Co. AG, wobei das Werk in die Hände der Hauptgesellschafter, der Rechtsanwälte Dr. Berthold Knöpflinacher und Dr. Oswald Kochler, beide aus Horn, gelegt wurde, aber Anwälte sind nicht automatisch gute Geschäftsleute und einige Fehlentscheidungen später geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und drohte bereits 1922 mit der Schließung, was Wehinger zwang, privates Geld zu investieren, um das Schlimmste zu vermeiden, das half dem Unternehmen für die nächsten Jahre, aber die Produktpalette schrumpfte und driftete langsam in Richtung billiges Geschirr und Tontöpfe, am 26. April 1928 war die Firma bei der Stadt Elbogen wegen offener Stromrechnungen in Höhe von 87.937 Kronen und 10 Heller hoch verschuldet, was damals eine große Summe war, das Unternehmen konnte irgendwie überleben, aber es sollte noch schlimmer kommen, als es von der allgemeinen Rezession in der tschechoslowakischen Porzellan- und Keramikindustrie erschüttert wurde, 1928 war das Unternehmen zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an, es wurde für kurze Zeit vom Wirtschaftsverband der Porzellanindustriellen in der Tschechoslowakischen Republik, Karlsbad (Porcella Karlsbad- Gruppe) übernommen, welche es hätte retten können, doch wegen des US-Börsencrashs kurz darauf wurde die Fabrik Ende 1929 stillgelegt und fallen gelassen, 1930 wurde die Fabrik offiziell aufgelöst, Höhe 10 cm, Breite 14,5 cm